DiGA in der Depressionsbehandlung: ist ihr Einsatz kosteneffektiv?
Wenn die Kosten für Digitale Gesundheitsanwendungen (DiGAs) sich nicht verändern, dann ist ihr Einsatz in der Behandlung von depressiven Störungen nicht kosteneffektiv. Zu diesem Ergebnis kommen Bettina Freitag von der Universität Witten/Herdecke und Kolleg*innen auf Grundlage einer Simulationsstudie, welche sie jetzt in der zur renommierten Nature-Gruppe gehörenden Fachzeitschrift npj Digital Medicine veröffentlicht haben.
Als DiGA werden Digitale Interventionen bezeichnet, die nach einer aufwändigen Prüfung vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) in das DiGA-Verzeichnis aufgenommen wurden. Alle Digitalen Interventionen zur Behandlung psychischer Störungen haben gemeinsam, dass sie etablierte psychotherapeutische Prinzipien vermitteln, beispielsweise Verhaltensaktivierung in der Behandlung von Depressionen. Wenn sie im DiGA-Verzeichnis gelistet sind, können diese Interventionen auf Kosten der gesetzlichen Krankenversicherung eingesetzt werden.
Allerdings ist bislang unklar, ob dieser Einsatz auch kosteneffektiv ist. Daher führten die Autor*innen der aktuellen Studie eine Markov Simulation durch, in der sie die Kosten und der Nutzen von drei Szenarien untersuchten: Behandlung von Menschen mit depressiven Störungen vor der Einführung von DiGA (Nutzungsrate 0%), Behandlung dieser Menschen mit der gegenwärtigen DiGA Nutzungsrate (1,5%) und Behandlung mit einer zukünftig erwarteten Nutzungsrate von 50%. Bei diesem Zukunftsszenario wurde davon ausgegangen, dass jeder, der wegen einer Depression behandelt wird, auch eine DiGA bekommt.
Als Kosten wurden die Behandlungskosten gerechnet (aber kein indirekten Gesundheitskosten wie beispielsweise Arbeitsunfähigkeit) und der Nutzen wurde bestimmt anhand der Verbesserung der Krankheitslast, gemessen in qualitätsadjustierten Lebensjahren (QALY). Dabei wurde davon ausgegangen, dass die Behandlung mit DiGA dann kosteneffektiv ist, wenn die Kosten für den Gewinn eines QALY eine Schwelle für Zahlungsbereitschaft unterschreitet, die willingness to pay oder kurz WTP-Schwelle.
Das Ergebnis: die vorab definierte WTP-Schwelle von 55.000 Euro wurde in beiden Szenarien deutlich überschritten. Die zusätzlichen Kosten für ein durch die Behandlung gewonnenes QALY betrugen im Szenario mit der gegenwärtigen Nutzungsrate etwa 79.500 Euro und im Szenario mit der zukünftigen Nutzungsrate mehr als 81.000 Euro. Durch den Einsatz von DiGA steigen im zukünftigen Szenario die geschätzten jährlichen Kosten für die Behandlung von depressiven Störungen in Deutschland von gegenwärtig etwa 7,9 Milliarden Euro um ungefähr 1,5 Milliarden Euro.
Bei der Interpretation der Ergebnisse sollte berücksichtigt werden, dass die Kosten aufgrund von zwei Annahmen der Autor*innen möglicherweise überschätzt wurden: die Kosten pro Patient wurden wahrscheinlich zu hoch geschätzt, weil die Autor*innen davon ausgingen, dass die Intervention von den Betroffenen wiederholt genutzt wird. Das ist üblicherweise nicht der Fall. Die Gesamtkosten wurden möglicherweise aufgrund der Annahme überschätzt, dass 50% aller Betroffenen sich in Zukunft mit einer DiGA behandeln lassen werden. Auf absehbare Zeit wird dieser Anteil aber wahrscheinlich nicht über 20% steigen.
Fazit:
Die Autor*innen kommen zu dem Schluss dass DiGA die Versorgung von Menschen mit Depressionen verbessern können aber gegenwärtig nicht kosteneffetkiv sind. Nur wenn die Preise für DiGA deutlich sinken, von gegenwärtig über 200 Euro auf circa 20 Euro, dann können sie auch kosteneffektiv werden. Es bestehe die Hoffnung, dass Preise für DiGA tatsächlich sinken werden, wenn die Anbieter die Kosten für Entwicklung und Innovation wieder eingespielt haben.
Quelle:
Klein J P. DiGA in der Depressionsbehandlung: ist ihr Einsatz kosteneffektiv?. PSYCH up2date 2025; 19(02): 105 – 106. doi:10.1055/a-2520-5395
Publikationsdatum: 14. März 2025 (online)
Autor Studienreferat: Prof. Dr. Jan Philipp Klein, Lübeck